Vollzugsdefizite: Offener Brief an EU-Kommissar Barnier

Die European Casino Association (ECA) hat am 23.01.2013 gemeinsam mit den European Lotteries und der European Pari Mutuel Association (EPMA) in einem offenen Brief an Binnenmarkt-Kommissar Michel Barnier zur im Oktober 2012 von der Kommission veröffentlichten Communication on Online Gambling Stellung genommen. In dem Brief wird der Maßnahmenkatalog der EU grundsätzlich begrüßt, jedoch eindringlich darauf hingewiesen, dass oberste Priorität zunächst ein effektiver Vollzug gegenüber illegalen Glücksspielangeboten haben muss.

BupriS schließt sich dieser Forderung an. Hier der Wortlaut des Briefes in deutscher Übersetzung (Original englisch):

 

Sehr geehrter Kommissar Barnier, als Vorsitzende der größten Verbände im Bereich Glücksspiel möchten wir um Ihre Aufmerksamkeit bezüglich mehrerer Punkte des kürzlich von der Europäischen Kommission beschlossenen Aktionsplans zu Online-Glücksspiel bitten.Zusammen schaffen die Mitglieder unserer Verbände durch direkte und indirekte Beschäftigung mehr als 750.000 Arbeitsplätze in der Europäischen Union. Als Inhaber von exklusiven Rechten, Zulassungen und Lizenzen bieten unsere Mitglieder, sowohl online als auch offline, Glücksspiel-Produkte in nur den Bereichen an, für die sie durch die jeweils zuständigen nationalen oder regionalen Regierungen autorisiert sind.

Die Mitglieder unserer Verbände arbeiten im öffentlichen Interesse, da sie ein verantwortungsvolles Geschäftsgebaren fördern und stark in alle Initiativen, die auf die Stärkung der Regulierung von Glücksspiel auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene zielen, eingebunden sind.

Unsere Verbände und ihre Mitglieder haben sich aktiv in den Konsultationsprozess eingebracht, der von Seiten Ihrer Behörde nach Publikation des Grünbuchs zu Online-Glücksspiel im Binnenmarkt organisiert wurde, und sind dementsprechend sehr an den seit dieser Initiative ergriffenen Folgemaßnahmen interessiert.

Daher haben wir gemischte Gefühle bezüglich der Mitteilung (und des Aktionsplans) vom 23. November 2012.

Wir begrüßen ausdrücklich einige der in diesem Zusammenhang angekündigten Initiativen. Zum Beispiel unterstützen unsere Verbände selbstverständlich in Bezug auf die Bekämpfung von Betrug und Geldwäsche die voraussichtliche Revision der Direktive 2005/60/EC, die den Anwendungsbereich der Direktive auf alle Glücksspiel-Aktivitäten ausdehnen soll, insofern, dass eine solche Ausdehnung die Realität vieler unserer Angebote berücksichtigt, wie Spiele mit geringem Spieleinsatz und den Wiedereinsatz von Gewinnen durch Spieler.

Gleiches gilt für die Förderung der Integrität des Sports. Die Mitglieder von EL und EPMA, die Sportwetten anbieten und signifikant zur Finanzierung des Sports beitragen, teilen Ihre Analyse, dass dieses Thema mit Priorität behandelt werden sollte. Trotzdem möchten wir hervorheben, dass solche Maßnahmen kohärent und mit wirksamen Mitteln durchgeführt, und durch enge Einbindung in die Sportbewegung begleitet werden müssen.

Auch unterstützen unsere Verbände die Initiative zur Erleichterung der Verwaltungszusammenarbeit und der Zusammenarbeit von Glücksspiel-Regulierungsbehörden, und natürlich den Grundsatz des Schutzes von Verbrauchern und Bürgern, insbesondere von Minderjährigen und gefährdeten Gruppen.

Im Hinblick auf Verbraucherschutz und Werbung für Glücksspiel könnten jedoch viele Mitgliedsstaaten und verantwortliche Akteure in ihren Erwartungen enttäuscht werden. Die Ausarbeitung gemeinsamer Grundsätze zum Verbraucherschutz, dem erklärten Ziel der ersten angekündigten Empfehlung, ist sicher löblich. Es erscheint uns jedoch, dass aus den folgenden wesentlichen Gründen dieser Prozess bereits eine schlechte Startbasis haben könnte.

Erst einmal wird diese ganze Übung sinnlos sein, das heißt, sie wird nicht die erwünschten Resultate bringen, wenn nicht ein Schwerpunkt auf die beiden Hauptfaktoren des Verbraucherschutzes gesetzt wird: Erstens auf die Bekämpfung illegaler Glücksspielangebote, deren grenzüberschreitendes Angebot innerhalb der EU und von Drittstaaten durch technologische Verbesserungen erleichtert wird, und zweitens auf strenge Regeln oder das Verbot, nach einer auf der Ebene der jeweiligen Mitgliedsstaaten durchgeführten Evaluierung, von den Arten des Glücksspiels, die am anfälligsten für Betrug, Geldwäsche und Sucht sind, deren soziale und finanzielle Konsequenzen für Spieler desaströs sein kann.

Unsere Verbände und deren Mitglieder sehen der Unterstützung der Europäischen Kommission für die Mitgliedsstaaten bei der Einführung von Maßnahmen, die einen hohen Grad von Verbraucherschutz gewährleisten, entgegen. Jedoch können solche Maßnahmen nur für legale Anbieter gelten und werden somit offensichtlich keinen Effekt auf unlizenzierte Anbieter haben,  die sich von der Einhaltung der jeweiligen Gesetze der Mitgliedsstaaten, in den sie ihre Glücksspiel-Dienstleistungen anbieten, befreien, indem sie aus Steueroasen agieren, wodurch sie sich außerdem auch von der Zahlung von Steuern ausnehmen. Die Maßnahmen werden ebenso keinen Einfluss auf die von diesen Anbietern offerierten Glücksspiele haben, die den europäischen Verbrauchern keinerlei Garantien in Bezug auf Schutz des Vermögens, der Auszahlung von Gewinnen, der Integrität der Spiele oder dem Schutz vor exzessivem Spielen bieten.

Die Kommission und ihre Dienste scheinen jedoch der Bekämpfung von illegalem Glücksspiel keine Priorität einzuräumen, da sie diese Thematik sonst angehen würden. Die breite Verfügbarkeit illegalen Glücksspiels, im Gegensatz zur Regulierung legaler Angebote, die unter die alleinige Zuständigkeit der jeweiligen Mitgliedsstaaten fallen, ist ein grenzüberschreitendes Problem, auf das es deshalb eine starke und gemeinsame Antwort auf Ebene der Europäischen Union geben muss.

Angesichts dessen erscheint die bevorstehende Empfehlung der Europäischen Kommission zum Verbraucherschutz zum Scheitern verurteilt, es sei denn, die Bekämpfung illegalen Glücksspiels, die für die Mitgliedsstaaten und die Mitglieder unserer Verbände von höchster Priorität ist, wird ins Zentrum dieser Strategie gerückt.

Das gleiche Problem ergibt sich bezüglich der Maßnahmen zu verantwortungsvoller Werbung; diese können die dringende Notwendigkeit, kommerzielle Kommunikation für illegales Glücksspiel zu unterbinden, nicht aussparen, ungeachtet des Mediums, speziell in Bezug auf Werbung illegaler Anbieter im TV in manchen Ländern durch Fernsehsender, die per Satellit übertragen werden.

Das Verbot der Werbung für illegale Glücksspielangebote, das in etlichen europäischen Ländern besteht, ist tatsächlich eine der effektivsten Maßnahmen gegen illegales Glücksspiel, zusammen mit der Erstellung von Listen autorisierter, legaler Angebote (Weiße Liste) und Listen illegaler Angebote (Schwarze Liste), sowie der Blockierung des Zugangs zu unautorisierten Webseiten und zu Finanzströmen im Zusammenhang mit illegalem Glücksspiel. Unsere Verbände und deren Mitglieder sind der Meinung, dass solche Zwangsmaßnahmen gegen illegale Anbieter zwingend in die Empfehlung zum Verbraucherschutz, die gerade ausgearbeitet wird, aufgenommen werden müssen, und dass es wünschenswert wäre, wenn diese schnell von allen Mitgliedsstaaten verabschiedet würden; diese müssten dann kontinuierlich und eng zusammenarbeiten, um die Effektivität ihrer jeweiligen Umsetzung zu steigern.

Allgemeiner glauben wir, dass die Kommission die Besonderheiten unseres Sektors nicht ausreichend berücksichtigt hat, da sich die von uns angebotenen Dienstleistungen signifikant von anderen Dienstleistungen unterscheiden. Wir erinnern, dass eine große Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten für eine nationale Regulierung von Glücksspiel ist. Aufgrund der be- und anerkannten Risiken braucht unser Sektor spezielle Aufmerksamkeit, angepasste Regelungen, die sich mit den inhärenten Gefahren des Glücksspiels in der zweckmäßigsten Art und Weise auseinandersetzen und dabei die kulturellen, sozialen und historischen Besonderheiten der einzelnen Mitgliedsstaaten berücksichtigen. Die Besonderheit dieses Sektors, sowie alle daraus resultierenden Konsequenzen, müssen in den Diskussionen über geplante Initiativen berücksichtigt werden, einschließlich derer über Verbraucherschutz und verantwortungsvolle Werbung. Sollte dies nicht der Fall sein, wird es nicht möglich sein, die Gefahren von Glücksspiel in verantwortungsvoller Art und Weise anzugehen.

Um unsere Bedenken weiter ausführen zu können und zusammen dem Ziel konstruktiver Lösungen näher zu kommen, bitten wir um ein Treffen mit Ihnen.

Wir stehen Ihnen und ihren Mitarbeitern jederzeit zur Verfügung und sehen Ihrer Antwort entgegen.

Mit freundlichen Grüßen

Friedrich Stickler, Vorsitzender  The European Lotteries (EL)
Philippe Germond, Vorsitzender European Pari Mutuel Association (EPMA)
Ron Goudsmit, Vorsitzender European Casino Association (ECA)

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